Geschichte eines Verhängnisses

Ein merkwürdiges kulturelles Fernweh liegt sowohl der notorischen Griechensehnsucht der gebildeten Deutschen des 18./19. Jahrhunderts zugrunde, als auch ihrem noch viel älteren Hang zur Latinität, der zwar zunächst an die kirchliche Überlieferung gebunden, spätestens aber mit Aufblühen des Humanismus in Deutschland immer stärker an einem römisch-heidnisch-antiken Bezugsrahmen ausgerichtet war. Deshalb ist die Genese der deutschen Rom-Idee von besonderer Bedeutung: Inwieweit war diese mit all ihren Folgeerscheinungen und Mutationen treibende Kraft bei der kulturellen Entwicklung des Abendlandes, und welche führende Rolle spielte die »deutsche Bildung« dabei?

Das Buch folgt der Rom-Idee in ihrem Werdegang. Fast sämtliche der herausragenden deutschen Geistesmenschen zwischen 1750 und 1900 strebten nach der Größe einer Existenzform, die ihnen zufolge jenseits abendländischer Verbundenheiten und Herkunftslinien lag, nämlich in einem Land, das mit der »Seele« zu suchen sei, wo es »ganz anders« zuging als im »modernen« Europa, wo also nicht nur die vermeintliche »edle Einfalt und stille Größe« herrschten, sondern auch und vor allem die Vornehmheit unverdorbener Mentalität, wie sie nur in antiken, griechisch-römischen Vergangenheiten sichtbar geworden sei. Denn: ohne Rom gäbe es keinen Katholizismus und damit keinen Protestantismus – und damit auch keine deutsche Klassik und Romantik, keine deutsche Philosophie und klassische Philologie, ja überhaupt kaum etwas von dem, was den »deutschen Geist« und die deutsche Geschichte so besonders gemacht und beidem ihren spezifischen Charakter verliehen hat.

Nach seiner Studie „Griechentum und deutscher Geist“ zeigt Frank Lisson in diesem Band, daß die schwärmerische Sehnsucht mit der rund tausendjährigen Geschichte einer wirklichen und vielfältigen Prägung korrespondiert.

600 Seiten, gebunden.

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