Die Gründung der Bundesrepublik Deutschland als "Weststaat" – alliierter Auftrag und deutsche Ausführung

Die Gründung der Bundesrepublik Deutschland ist nicht denkbar ohne den schon bald nach Ende des Zweiten Weltkrieges erkennbaren tiefen Riß zwischen den alliierten Siegermächten in Ost und West. Den drei westlichen Besatzungsmächten schwebte dabei weniger ein »Deutschland als Ganzes« vor als vielmehr ein dezentralisiertes, föderalistisch gegliedertes Staatsgebilde. Die Aufgabe, dafür eine Verfassung auszuarbeiten, wurde einem Parlamentarischen Rat überantwortet. Jochen Lober zeigt in eingehenden Analysen der Sitzungsprotokolle des Rates, unter welch schwierigen Bedingungen das bundesrepublikanische Grundgesetz schließlich zustande kam – bei ständigen Versuchen der westlichen Alliierten, Einfluß zu nehmen. Heraus kam statt einer Vollverfassung – wie der neue Staat selbst – ein Provisorium. Zugleich beanspruchten die drei Besatzungsmächte weitgehende Vorbehaltsrechte, die sie noch einmal 1990 beanspruchten, als sie die Verhandlungen zur deutschen »Wiedervereinigung« führten, während die Bundesrepublik in dieser historischen Stunde nur einen Beobachterstatus hatte.
Überzeugend führt Lober aus, daß das 1949 geschaffene Westdeutschland nach außen hin kein souveräner Staat war. Der Autor zeigt auch, wie sich das Grundgesetz in den ersten Jahrzehnten nach seinem Inkrafttreten weniger zu einem Fundament der parlamentarischen Gesetzgebung als zum Feld der Verfassungsgerichtsbarkeit entwickelte. Eine problematische Tendenz, die sich in den letzten Jahren noch verstärkt hat, wie die häufige Anrufung des Bundesverfassungsgerichts belegt. Dieses übernimmt somit indirekt staatsorganisatorische Funktionen, da die Politik, auch in ihrer Ausrichtung auf ein vereinigtes Europa, offenbar nicht mehr willens ist, das Interesse an Sicherheit und Selbstbehauptung – als höchste republikanische Staatsräson – über die Verteidigung individueller Rechte zu stellen.

144 Seiten, Klappenbroschur.

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